Vorwort
Wir sind nun seit 2013 in der Elektromobilität aktiv und damals waren Wallboxen noch extrem teure Geräte. So teuer, dass selbst Schuko-Kabel noch 600 € kosteten. Aus dem Grund haben wir den smart früher auch ausschließlich mit dem beiliegenden Schuko-Kabel geladen. Auch wir dachten, das sei eine gute Idee und wir wüssten ja, was wir tun.
Die Erfahrungen damit waren es dann aber, warum wir 2015 doch auf eine vernünftige Lösung mit Wallbox wechselten. Es ist mit Haushaltssteckdose kein Geld gespart. Letztendlich hatte uns diese Aktion mehr gekostet, als sie ursprünglich einsparte. Das hat auch nochmal klar aufgezeigt, dass Schuko-Kabel eben doch nur Notladekabel sind. Sie sind ausgelegt für seltenen Gebrauch und dass sie vor jedem Ladevorgang erneut überprüft und dann in die Steckdose gesteckt werden.
Dieser Artikel entstand in Rücksprache mit weiteren Fachleuten. Danke an Daniel Bönnighausen (Saving Volt), Robin Engelhardt (Elektro Robin), Martin Goretzky (Mennekes-Mitarbeiter), Ralf Wagner (elweb) und Marcus Zacher (Elektroautomobil).
Warum kein Schuko-Kabel?
Das größte Problem bei Notladekabeln ist der Schuko-Stecker selbst und die damit verbundenen Risiken. Er ist nicht für eine hohe Dauerleistung ausgelegt. Es ist zwar richtig, dass er 16 A kann, aber das ist nur die maximale Stromstärke. Oder anders ausgedrückt: Für einen ganz kurzen Moment kann die Steckdose diese Belastung ab, nicht aber dauerhaft. Wenn man also beispielsweise ein Elektrogerät mit sehr hoher Leistung einschaltet, ist dies noch in Ordnung. Dauerhaft allerdings nicht. Also 16 A über einen längeren Zeitraum liefern, wie es beim Ladevorgang von Elektroautos ist, geht mit der Schuko nicht. Da sind maximal 10 A möglich, in seltenen Fällen vielleicht auch mal 12 A. Wobei ich von letzterem abrate und auch schon 10 A zu viel sein können. Selbst dann, wenn man eine "besonders starke" oder auch "extra für Elektroautos ausgelegte" Steckdose kauft und verwendet. Wir haben auch damit schon Schuko-Stecker schmoren lassen.
Das bringt mich zum zweiten Punkt gegen den Schuko-Stecker: Im Gegensatz zum Campingstecker, Starkstromstecker und anderen Steckertypen, welche für höhere Dauerleistungen ausgelegt sind, verfügt Schuko über keinerlei Arretierung. Mit der Zeit kann der Schuko-Stecker langsam aus der Dose rutschen oder leicht schief drin sitzen und so die Kontaktfläche zwischen Dose und Stecker immer geringer werden. Das resultiert in einem immer größeren elektrischen Widerstand zwischen Dose und Stecker und lässt sie im Betrieb heiß werden. Ich habe sogar schon Stecker gesehen, welche sich dann mit der Dose "verschweißt" haben.
Außerdem ist Schuko auch mal schnell von einem ahnungslosen Kind ausgesteckt. Im besten Fall ist dann das Auto einfach nur nicht voll, im schlimmsten Fall bringt sich das Kind dabei in Gefahr.
Notladekabel heißen nicht umsonst Notladekabel. Abseits von den Risiken sind sie auch keine preiswerte, sondern eine billige Alternative zur Wallbox. Sie sind für den Notfall oder auch die spontane Gelegenheit mal irgendwo ein bisschen zu laden. Entsprechend sind sie nicht auf hohe Zyklenzahlen ausgelegt. Wenn man sie nicht nur ein paar Mal im Jahr nutzt, sondern mehrfach die Woche, melden sich die billigen Komponenten, aus denen sie gebaut sind. So habe ich alle paar Wochen wieder einen Leser, dessen Notladekabel kaputt gegangen ist und nun ersetzt werden muss. Wiederum über defekte Wallboxen habe ich praktisch gar keine Beschwerden. Besonders die verbauten Relais, aber selbst Microcontroller auf den Platinen selbst, sterben einen verfrühten Tod und machen das gesamte Kabel zu teurem Elektroschrott.
Außerdem wird bei Notladekabeln gerne auch am Typ-2-Stecker gespart, sodass es dort einen internen Kabelbruch geben kann oder er anderweitig verschleißt. Auch dies macht dann das gesamte Notladekabel nutzlos.
Notladekabel müssen seit 2018 einen Temperaturfühler im Stecker haben. Genau diesen Fühler aber haben die billigen von Übersee trotzdem nicht. Aber selbst, wenn das Notladekabel der Wahl einen hätte und damit die größte Gefahr schonmal gebannt wäre, so stünde man dennoch eines Morgens vor einem leeren Auto, weil der Temperaturfühler ausgelöst und den Ladevorgang unterbrochen hat.
Aufgrund der fehlenden Temperaturfühler rate ich auch vor allem auch von Notladekabeln auf ebay, Amazon und Aliexpress, so wie anderen Seiten dieser Art ab. Selbst für den Notlade-Betrieb würde ich zu hochwertigen Kabeln von Mennekes, Dinitech (NRGkick) oder auch der Juice Technology AG (JuiceBooster) raten. Auf den go-e Charger gehe ich im Fazit weiter unten nochmal gesondert ein. Er hat übrigens auch keinen Temperaturfühler.
Notladekabel, sofern man eines braucht, nutzt man möglichst ohne Schuko oder zumindest so, dass das Gewicht des Kabels irgendwie von der Schuko-Dose genommen wird. Dass diese mechanisch entlastet wird und der Stecker nicht langsam rausrutschen kann. Wenngleich selbst das Entlasten keine Garantie dafür ist, dass es nicht irgendwann doch mal schmort. Für jeden einzelnen Ladevorgang erneut den Schuko-Stecker einstecken würde ich stark empfehlen. So kann man ihn einer kurzen Sichtprüfung unterziehen, stellt sicher, dass er richtig sitzt und verringert so weitere Gefahren.
"Schuko-Kabel" genauer unter die Lupe genommen
Schuko ist übrigens eine umgangssprachliche Abkürzung für Schutz-Kontakt und bezeichnet den in Europa weit verbreiteten CEE 7/4 Stecker und die CEE 7/3 Steckdose. Schuko selbst ist ein geschützter Name. Ebenso ist Schuko-Kabel und Notladekabel Umgangssprache, die offizielle Bezeichnung ist ICCB, was für die englische Bezeichnung "In-Cable Control Box" steht, zu Deutsch "In Kabel Kontrol Box".
Zwar lädt man an Schuko relativ langsam, dafür aber auch meist über dünne Zuleitungen. Das bringt verhältnismäßig viel Ineffizienz ins Spiel und um diese nicht noch weiter zu steigern, verbietet praktisch jeder Notladekabel-Hersteller das Verlängern über Verlängerungskabel. Weitere Ineffizienz kommt darüber, dass Ladegeräte in den PKWs für deutlich höhere Leistungen ausgelegt sind und daher unten raus sowieso schon nicht mit Effizienz glänzen. Je nach Hersteller und Modell kann das durchaus große Unterschiede machen.
Ein weiterer Faktor ist, dass extrem langsames Laden, die Pumpen, Elektronik und Steuergeräte im PKW um ein Vielfaches länger für die gleiche Menge an Kilometern laufen lässt. So schont man zwar mit extrem langsamen Laden die Schuko-Dose, legt aber effektiv den Verschleiß nur auf das Auto um. Was letztendlich noch teurer als eine verschmorte Steckdose oder gar ein defektes Notladekabel ist.
Aber mein Vermieter lässt keine Wallbox zu
Auch ein Argument, welches ich regelmäßig höre und letztendlich keines ist: Seit dem 1. Dezember 2020 gilt in Deutschland ein Recht auf Ladestation, wenn man diese gerne hätte. Dabei muss der Vermieter diese nicht bezahlen, aber er kann deren Errichtung grundsätzlich nicht verbieten. Nur in äußerst seltenen Fällen, beispielsweise wenn das Gebäude unter Denkmalschutz steht, kann der Vermieter die Installation einer Wallbox verbieten. Entsprechend ist das praktisch kein Grund mehr, nur ein Notladekabel zu nutzen.
Außerdem eine wichtige Info: Bis einschließlich 11 kW braucht man keine Genehmigung vom Netzbetreiber. Es besteht lediglich eine Meldepflicht. Erst Ladestationen mit mehr als 11 kW müssen genehmigt werden.
Was gilt für Wohnungseigentümer?
Auch als Wohnungseigentümer hast du seit dem 01.12.2020 ein Anrecht auf die Installation einer Wallbox an deinem zur Wohnanlage gehördenen Parkplatz. Dazu musst du zwar nach wie vor einen Antrag bei der Eigentümergemeinschaft stellen – dieser darf in der Regel aber nicht abgelehnt werden. Kläre zudem mit der Eigentümergemeinschaft wie die Abrechnung des Ladestroms erfolgen soll. Hier hast du z.B. die Möglichkeit einen eigenen Zähler an der Wallbox anzubringen oder die Wallbox über den zu deiner Wohnung gehörenden Zähler laufen zu lassen.
Die Rechtsberatung rund um das Thema übertrifft letztendlich meine Kompetenzen, da ich aus der technischen Richtung komme. Entsprechend möchte ich Euch zum Thema einen Blog-Artikel der EnBW ans Herz legen: Elektroauto laden: So klappt’s auch in der Mietwohnung
Laut Elektriker ist die Installation einer Wallbox sehr teuer bei mir,
das Schuko-Kabel wiederum muss ich nur einstecken
Grundsätzlich ist wichtig klarzustellen: Wo man ein Notladekabel anschließen kann, kann man auch eine Wallbox anschließen.
Ausnahmslos jede Wallbox kann einfach 1-Phasig angeschlossen und die meisten auch auf die 10 A eines Notladekabels gedrosselt werden. Man kann also einfach die Schuko-Dose entfernen und die Wallbox dort an 230 V anschließen. Wenn die Wallbox keinen FI-Schalter integriert hat, muss man diesen im Sicherungskasten noch nachrüsten. Dieser Aufwand ist kostentechnisch aber absolut im Rahmen. Tatsächlich empfehle ich sogar auch dann eine 3-Phasige (11 kW bis 22 kW) Wallbox zu kaufen, anstatt einer 1-phasigen (3,7 kW bis 7,2 kW), wenn man sie sowieso erstmal nur 1-phasig betreiben möchte. Denn der preisliche Unterschied ist praktisch nicht vorhanden. Wenn man in Zukunft mehr Leistung möchte, muss man nur die Zuleitung tauschen lassen und kann die alte Wallbox weiterhin verwenden.
Als wir mit der Elektromobilität anfiengen, waren Wallboxen noch sehr teure Geräte, welche praktisch handgefertigt aus der Manufaktur kamen. Heute sind das Massenprodukte, welche es auch durchaus mal im Baumarkt oder Elektronik-Laden zum Angebotspreis für teilweise deutlich unter 500 € gibt. Da macht es keinen Sinn mehr auf billige Notladekabel auszuweichen.
Man muss nicht direkt die halbe Hausinstallation neu machen, nur weil der Elektriker meint, er müsste gleich Starkstromkabel für 11 kW oder gar 22 kW legen. Mit der vorhandenen Schuko-Leitung kann man bereits eine Wallbox betreiben und diese dann auf 2,4 kW oder sogar bis zu 3,6 kW limitieren, je nach Querschnitt und Länge der Zuleitung. So hat man die Sicherheits- und Komfortvorteile einer Wallbox mit der Kosteneffizienz eines Notladekabels.
Natürlich lädt man dann nicht mit 11 kW oder gar 22 kW. Aber selbst mit 2,4 kW bekommt man in 12 Stunden wieder 150-200 km in das Auto, mit 3,6 kW sogar bis zu 300 km. Und solange man nicht täglich mehr als das fährt, ist dies bereits eine sehr kosteneffektive Lösung. Da darf man sich dann aber eben nicht von einem Angebot des Elektrikers verunsichern lassen, welcher meint 22 kW installieren zu müssen und dazu das halbe Haus neu machen möchte.
Meine Handlungsempfehlung
Damit kommen wir auch schon zu meiner Handlungsempfehlung: Das aller mindeste ist, die Schuko-Dose durch eine Dose mit Campingstecker (16 A CEE blau) zu ersetzen und ein entsprechendes Kabel zu verwenden. So ist die größte Gefahr gebannt und eine schmorende oder abbrennende Steckdose ausgeschlossen.
Wenn man experimentierfreudig ist, kann man es nochmal mit einem NoName-Kabel probieren, die richten dann zumindest keinen großen Schaden mehr an, wenngleich ich persönlich direkt Kabel von bekannten Herstellern beziehen würde. Wer günstig kauft, kauft zweimal. Hier kann man durchaus auch auf Gebrauchte zurückgreifen, aber man sollte unbedingt darauf achten, nicht irgendwelche Produkte von außerhalb Europa zu verwenden.
Außerdem möchte ich an der Stelle auch nochmal auf den go-e charger von der go-e GmbH eingehen. Zwar ist dieser in Sachen Preis/Leistung auf den ersten Blick kaum zu übertreffen, aber dennoch auf den zweiten Blick nicht empfehlenswert, wenngleich er sich großer Popularität erfreuen darf. Mathias Dalheimer von ladefragen.de hatte dazu einen wunderbaren Artikel publiziert, welcher die Schwächen des go-e Chargers klar aufzeigt und die allerwenigsten wurden mit der neuen Generation behoben.
Der go-e Charger kratzt am Rande des des Zertifizierungsminimums in Deutschland. Er kann nur aufgrund unsportlicher Sparmaßnahmen seinen Preis halten und ich habe immer wieder Leser, welche über Qualitätsmängel und Komplettausfälle klagen.
Mittelfristig sollte man sein Notladekabel durch eine Wallbox ersetzen. Dabei ist erstmal egal ob eine mobile Wallbox, wie den NRGkick oder den JuiceBooster oder eine fest montierte Box, wie die Heidelberger, die Tesla-Box oder auch die Home Plus von Vestel. Hauptsache man macht das Notladekabel nicht zur Dauerlösung, da es hierfür einfach nicht geeignet ist. Höchstens für den kurzen Übergang, bis die dauerhafte Lösung soweit ist. Eine gebrauchte, aber gute Wallbox kann durchaus auch eine Option sein.
Mit diesen Tipps hat man noch lange Freude am heimischen Laden, der Geldbeutel ist geschont und es gibt keine bösen Überraschungen. Weder morgen früh, noch in 5 Jahren.
Nachtrag 20. November 2022
Wie ein norwegischer Leser bestätigt hat, ist das Schuko-Laden als Dauerlösung in Norwegen seit Juli 2022 verboten. Bestandsanlagen dürfen es weiterhin tun und in tatsächlichen Notfällen ist es ebenfalls legitim. Aber Neuinstallationen dürfen keine mehr errichtet werden und für den Bestand gibt es auch klare Auflagen.
- Für das Elektroauto muss ein eigener Stromkeis bereit stehen
- Max 10 A sind erlaubt
- Der Stromkreis muss über einen Fehlerstromschutzschalter Typ B verfügen
- Nach jedem abgeschlossenen Ladevorgang immer erst das Auto abgesteckt werden, dann das Kabel aus der Dose. Es muss auch aus der Dose abgesteckt werden.