Als Autohersteller Ladesäulen aufstellen ist nur die halbe Miete. Was macht ein Porsche-Ladenetz denn zum Porsche-Ladenetz? Reichen da andere Farben und ein sauberer Parkplatz mit Dach? Dazu brauch es doch keinen Autohersteller. Das können EnBW, Pfalzwerke und selbst die kleinsten Stadtwerke auch.
Ich grüble nun schon seit einiger Zeit darüber, bin aber erst jetzt am Wochenende so richtig drauf gekommen, was mich stört. In der Vergangenheit hatte ich bereits angemerkt, dass mich dieser plump auf die Ladesäule geklebte Stern stört.
Das ist gestalterisch ein Unding und wirkt sehr halbherzig. Das viel schlimmere ist aber, dass man damit den zweiten Trumpf von Tesla's Netz komplett liegen lässt.
Aber je länger ich mir das angucke, je tiefer sehe ich das Problem:
Unsere konventionellen Autohersteller glauben mit dem eigenen Ladenetz in 5-10 Jahren da zu stehen, wo das Tesla-Netz heute ist. Flächendeckend auf drei Kontinenten mit einem zuverlässigen und dichten Netz den eigenen Kunden das Stressfreie reisen im Elektroauto zu ermöglichen.
Und unter anderem auf Basis dieses super Netzes kaufen Kunden dann deren autos. So wie viele heute sich für einen Tesla entscheiden, weil man damit in ganz Europa rumfahren kann. Ohne Ladekarte, ohne App, ohne Stress. Einsteigen und los fahren.
Dabei machen das Tesla-Netz zwei Dinge aus:
1. Die Vielzahl an Ladeparkt, sodass man praktisch überall recht gleich an einem Supercharger ist, wenn man will.
2. Die Zuverlässigkeit der Ladesäulen und deren Integration in das Auto. Speziell in Kombination mit den eigenen Autos gibt es nie Probleme in der Kommunikation mit dem Auto.
Ersteres kann und will Mercedes offenbar angehen. Eine große Offensive läuft aktuell und man ist mit Druck dahinter Standorte zu finden, zu beplanen und dort Ladeinfrastruktur aufzubauen.
Aber zweiteres scheint man noch nicht so ganz verstanden zu haben. Das Tesla-Netz ist vor allem so zuverlässig, weil Tesla nicht nur die Autos baut, sondern auch die Ladestationen selbst entwickelt und herstellt. Sowohl die Hardware, als auch die Software.
Mercedes hat vor in deren Ladenetz Ladestationen von Alpitronic zu verwenden und Porsche ebenfalls. Diese sind am Markt die mit Abstand besten, aber die hat auch jeder andere Ladesäulenbetreiber. Warum sollte ein Mercedes-Kunde zur Mercedes-Säule fahren, wenn EnBW und selbst das kleinste Stadtwerk die gleichen Säulen hat? Sich das Ladeerlebnis praktisch nicht von dem der Säule des Herstellers unterscheidet und den Strom vielleicht sogar noch günstiger als beim OEM verkauft?
Die Autohersteller müssen eigentlich auch eigene Ladesäulen entwickeln und diese sehr ausgeprägt in den eigenen Autos integrieren. Plug & Charge sowieso und die Säulen in die Navigation vom Auto integrieren geht auch, wenn man fremde Hardware hat.
Aber ein "Das beste oder nichts"-Erlebnis ist das noch nicht. Das erreicht man erst, wenn man nicht nur das Auto selbst baut, sondern auch die Ladesäule und Ihre Steuerung.
Bei einer Eigenentwicklung kann man die Säule tiefer in das Auto integrieren und beispielsweise sicher stellen, dass sie zuverlässig mit dem eigenen Produkt funktioniert. Außerdem hat man bei technischen Defekten die Entwickler im Haus und muss nicht darauf warten, dass Alpitronic Zeit hat sich um einen zu kümmern. Eben so ist man nicht davon abhängig, dass Alpitronic richtig skaliert und nicht beispielsweise in einen Engpass mit Ersatzteilen gerät.
Eben so könnte man dann auch deutlich unkomplizierter Features implementieren. Beispielsweise, dass Mercedes-Kunden einen Ladeplatz reservieren oder das Navi einen an einem Standort vorbei navigiert, welcher bereits sehr ausgelastet ist. Sodass es keine Schlangen gibt. Beides Dinge, welche ein Tesla mit den Superchargern bereits seit Jahren macht.
Ein weiterer Vorteil ist außerdem, dass man potentielle Fehler an Ladesäulen mit den eigenen Autos deutlich einfacher diagnostizieren kann. Anstatt selbst testen zu müssen, kann man einfach auf die Ladevorgänge der eigenen Flotte zugreifen und prüfen, was diese beim Ladevorgang geloggt hat. Auch dies ist etwas, was Tesla bereits seit vielen Jahren macht und ebenfalls zur Optimierung derer Ladesäulen beiträgt. Solch eine enge Verknüpfung zwischen alles ist nur möglich, wenn man alles im Haus hat.
Tesla hatte übrigens die Entwicklung der eigenen Ladesäulen relativ einfach gestartet. Für das Model S hatte man bereits einen 11 kW Lader entwickelt. Davon hatte man für die erste, zweite und dritte Generation Supercharger einfach 8-14 Stück in einen großen Schrank gepackt und fertig war der Supercharger. Auf diese Weise schaffte man es auch direkt Skalierungseffekte von Auto und Ladesäulen mitzunehmen und die Hardware günstiger zu fertigen.
Ähnlich könnte beispielsweise Mercedes das Thema auch angehen. Oder schlichtweg einen vorhandenen Ladesäulenhersteller aufkaufen und darauf basierend eigene Säulen entwickeln. Dann hätte eine Mercedes-Ladestation auch den Stern auf ihr verdient.
Dis dahin wird sie sich im Nutzererlebnis nicht so richtig von EnBW, Fastned und den Pfalzwerken unterscheiden. Entsprechend geht die Kundschaft weiterhin eher zu Tesla und freut sich über das Komplettpaket, statt nur einem halbwegs modernen Auto.
Dieser Post war ursprünglich für meinen privaten Twitter und Linkedin Account geschrieben worden. Anschließend habe ich ihn auch hier veröffentlicht, um ihn nicht in den Tiefen von SocialMedia untergehen zu lassen. Außerdem möchte ich bei so mancher These und Gedankengang auch selbst in 10 Jahren noch gucken können, wie meine Aussagen dazu gealtert sind.
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